Was ist der Unterschied zwischen einem Duracell-Hasen, einem VW-Käfer und meiner Schwiegermutter? Es gibt keinen! Alle laufen, laufen, laufen. Aber dazu später mehr. Vor gar nicht allzulanger Zeit hatte ich mir ein neues Freizeitprojekt ausgedacht. Ich möchte den Zentralalpenweg 02 von Hainburg bis Feldkirch abwandern. Dieser führt zuerst durch die Ebene rund um den Neusiedler See geht über ein paar Hügerl hinauf ins Gebirge und dann nach Feldkirch. Als ich dieses Projekt beim Mittagstisch der Bergsteiger-Familie Deininger vorstellte, wurde ich belächelt. Denn als Anti-Bergsteiger und Freizeitradler, Psychologe und Käsegenießer seien solche Realisierungsversuche zum Scheitern verurteilt, meinten manche. Der 8.000er Thomas verstand dieses Genußwandern gar nicht, mein Radler-Kumpan Peter wollte gar nichts Genaueres wissen. Martin hielt sich mit seiner Meinung zurück. Einzig das Kücken Simone konnte ich von der Idee begeistern, als ich ihr sagte, dass ich nicht die Alpenvereinshütten anstreben würde sondern Vier-Sterne Hotels. Meine Schwiegermutter Edeltraud Deininger, sportliche 75 dieses Jahr geworden, äußerte sich, als sie mir die zweite Portion der Nachspeise kredenzte , positiv über das Projekt und meinte, dass sie vielleicht sogar ein Stück mitgehen würde. Ich nahm dieses Angebot nicht ganz Ernst, und ließ Kathrine zweimal bei anderer Gelegenheit nachfragen, ob sie denn dies Ernst meine. Beide Male sagte sie ja und da Robbi und Gitti das letzte Wochenende keine Zeit zum Wandern mit ihr hatten, beschlossen wir den ersten Teil von Hainburg bis Parndorf gemeinsam zu gehen. Am Samstag trafen wir uns um 10 Uhr bei der U-Bahn Station Landstraße und tingelten um 10.17 Uhr mit einem Schnellzug nach Hainburg. Kathrine hatte mich in der U-Bahn noch ein Stück begleitet und mich mittels Vorlesen der Etappenbeschreibung aus dem guten Wanderführer des Alpenvereins gecoacht ("immer die Abzweigungen gewahren!").
Meine Schwiegermutter war ganz hervorragend ausgerüstet mit Wandermütze und 2 Liter Oma-Saft sowie einem ganz tollen Rucksack.
Von der Bahnstrecke aus konnten wir bereits einen kleinen Einblick in unsere Strecke gewinnen: Sie war flach und es sollte keine überraschenden Anstiege geben , die über unsere sportliche Kondition hinausgehen würden. In Hainburg angekommen marschierten wir zum Hauptplatz und ich holte mir am Standesamt meinen ersten Kontrollstempel. Gottseidank haben am Samstag zwei glückliche Menschen in Hainburg einander ihr Ja-Wort gegeben, denn sonst hätte ich keinen Stempel an diesem Tag bekommen können.
Die Wegweiser waren eindeutig und wir wanderten schnellen Schrittes mit ca. 6 km/h aus der Stadt hinaus, vorbei an der schönen blauen Donau, Schrebergärten und den herbstlich verfärbten Laubbäumen. In dieser Gegend scheinen die Bäume länger ihre Blätter zu behalten und wir freuten uns an dieser Farbenpracht.
Die ersten beiden Stunden war der Weg ein langgezogener Straßenhatscher. Zivilsation so weit das Auge blicken konnte.
Nur in der Ferne zeichneten die Windräder freundliche Bewegung in den Himmel. Wo Windräder stehen, da gibt es auch Wind. Diese Erkenntnis begleitete uns die nächsten vier Stunden. Er blies uns kräftig um die Ohren.
Beim Heidentor machten wir eine kurze Rast, schmausten unsere Jausenbrote, tranken Tee und Oma-Saft. Das Wetter änderte sich manchmal. Wolken zogen am Himmel auf, dann strahlte wieder die Sonne und um 16 Uhr schien sie schön langsam uns in Richtung Amerika zu verlassen.
Kurz vor Rohrau verpassten wir auf einem Feldweg die Abzweigung und so trotteten wir an Haydns Geburtshaus
vorbei, hielten kurz inne, hörten in unserem Geiste seine hervorragenden Streichquartette und Symphonien nachklingen und nahmen die langgezogene Hauptstraße in Angriff. Irgendwann kam uns aber der Weg komisch vor. Schon seit einer halben Stunde hatten wir keine Markierung gesehen und meine Schwiegermutter nahm all ihren Mut zusammen und fragte den einzigen Menschen, der uns seit ca. 15 km begegnet ist, wo denn nun Parndorf liege und wie wir dort hinkommen könnten. Der Automechaniker beantwortete uns diese Frage äußerst kompetent. Er erklärte uns genau den Weg: „Nach 200 Metern links, dann immer gerade aus, am Biogaswerk vorbei, und dann gleich rechts und dann wieder gerade aus“. Und man muss sagen: die Beschreibung war die perfekteste, die ich seit Oslo gehört hatte.- Dort fragte ich eine Radlerin, ob der Weg nach Oslo hügelig oder flach sei. Sie sagte: „A kind of flat“, was so viel bedeutete: 5 Hügel überwinden und ca. 800 Höhenmeter auf 30 Kilometer. -
Nach einer langen Allee kamen wir wirklich nach 20 Minuten beim Biogaswerk vorbei, das ordentlich
stank! Da es schon dämmerte mussten wir unsere Gehgeschwindigkeit auf 5.5km/h reduzieren. Nach 5.20 Stunden bzw. 30 km hatten wir Parndorf erreicht
. Eine Viertelstunde nach unserer Ankunft in Parndorf saßen wir schon glücklich und zufrieden wieder im Zug Richtung Wien. Sowohl meine Schwiegermutter als auch ich waren von dieser Tour nicht erschöpft und ich hörte noch so manche Geschichte aus dem Leben einer hoch aktiven Mutter. Am nächsten Morgen beschloss ich, die nächste Etappe allein in Angriff zu nehmen. Von Parndorf nach Breitenbrunn. Eine einfache Strecke von 18 km Länge. Sehr flach, sehr fad,sehr gatschig.
Bereits in Parndorf verlor ich die Markierung des Alpenweges aus den Augen und so marschierte ich entlang der Bundesstraße nach Neusiedl am See. Dort besuchte ich die Kirche und stellte fest, dass Tauben auch auf Kirchturmuhrzeigern hervorragend schlafen können.
Bei einem kleinen Gemüsehändler kaufte ich hervorragende saftige burgenländische Paradeiser und Paprika ein und schleppte sie die restlichen 9 Kilometer in meinem Rucksack mit. Zufälligerweise stieß ich wieder auf die Wegmarkierung des Zentralalpenweges und freute mich über die nächsten sicheren 500 Meter. Dann mündete der Weg aber in eine Gatschebene und ich weigerte mich standhaft, diesen Weg weiter zu gehen.
Gleich daneben führte mich der asphaltierte Radweg durch Jois nach Breitenbrunn. Ich konnte diese Etappe bereits nach 3 Stunden abschließen und fuhr glücklich und zufrieden aber mit zwei Blasen an den Fersen zurück nach Wien.